f17r

 

Am falschen Ort

 

Charlotte Auer

3. Januar 2017

 

Die Marginalie auf dieser Seite f17r ist ebenso klar in ihrer Aussage – wenn auch nicht vollständig lesbar – wie verwunderlich, denn um einen Maulbeerbaum (Morus alba) dürfte es sich bei der abgebildeten Plfanze auf keinen Fall handeln.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Maulbeerbaum war im mittelalterlichen Tirol eine der wichtigsten Nutzpflanzen überhaupt, dienten seine Blätter doch in der Hauptsache als Futter für die Seidenraupen. Es ist also schwer vorstellbar, dass ein gebildeter Schreiber/Zeichner in Tirol diese Pflanze nicht so gut gekannt haben sollte, dass er sie einigermaßen naturalistisch wiedergeben konnte. Auch wenn sehr viele Zeichnungen des Mittelalters mit der Realität wenig gemein hatten, ist diese Abweichung von der natürlichen Form einfach zu grob um glaubhaft zu sein.

 

Des Rätsels Lösung findet sich genau 8 Blätter, also einen Bogen, weiter auf Seite f25r. Hier ist ein Morus alba sehr naturalistisch gezeichnet dargestellt, auch wenn die Farbe die filigrane Zeichnung weitgehend überdeckt. Wer immer diese Marginale auf das Blatt geschrieben hat, er hat sich um genau einen Bogen vertan. Woraus man im übrigen schließen kann, dass die Beschriftung vor der Bindung erfolgte.

 

Die Blätter des Maulbeerbaums dienten nicht nur der Seidenproduktion, sondern wurden auch als Viehfutter verwendet und ein Aufguss daraus galt als probates Mittel gegen Würmer. Auch die köstlichen Früchte wurden nicht nur verzehrt, sondern fanden als Färbemittel, vor allem für Wein, Verwendung. Der Satz „Maulber alber bucz heu virct...“ bedeut in modernes Deutsch übertragen nichts anderes als „die Blätter des Maulbeerbaums wirken ...“. Ich nehme an, dass diese Marginalie eine zusätzliche Information zum Text darstellen sollte, aber versehentlich an den falschen Ort geriet.